Elfi Conrad
Als sei alles leicht
Roman
Im Winter 1945 flieht Ursel mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrer neugeborenen Tochter von Niederschlesien nach Süddeutschland. Inmitten ständiger Bedrohung durch Kälte, Hunger, Soldaten übernimmt sie als junge Frau Verantwortung für ihre Familie.
11,99 € – 22,00 €
Über Schneeflocken wie Feuer:
„Schneeflocken wie Feuer lässt sich in seiner kühlen, oft selbstironischen Sachlichkeit und seinen Fragen nach weiblicher Selbstbestimmung und weiblichem Begehren durchaus vergleichen mit den Romanen von Annie Ernaux, Colette oder Simone de Beauvoir.“
Beate Tröger, Büchermarkt/Deutschlandfunk
„Faszinierend ist, wie Elfi Conrad den Missbrauch von Macht ganz beiläufig am Beispiel verschiedener Instanzen analysiert.“
Insa Wilke, Süddeutsche Zeitung
„Eine absolute Entdeckung.“
Anne-Dore Krohn, rbb Kultur
„Es ist ein Buch, das mich in Bann geschlagen hat, verzaubert, regelrecht in andere Sphären verschlagen.“
Denis Scheck, WDR2 Buchtipp
Inhalt: Frauen auf der Flucht
Dora, das Mädchen aus Elfi Conrads erfolgreichem ersten Roman Schneeflocken wie Feuer, ist gerade erst geboren worden. Drei Frauen fliehen mit dem Baby in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs westwärts: Doras Mutter Ursel, deren Schwester Kathi und die Großmutter Margarete. In ihrem zweiten Roman zeigt Elfi Conrad, wie Frauen ihre Körperlichkeit einsetzen (müssen), um aus der gesellschaftlichen Machtlosigkeit herauszukommen. Aufgrund der politischen Situation sind sie dabei ständig mit ihrer jeweils unterschiedlichen Einstellung gegenüber Hitlerdeutschland konfrontiert.
Ein eindrücklicher Blick auf Frauen zwischen den Kriegsfronten, Sexualität, männliche Macht und über familiären Zusammenhalt.
Das Wasser eiskalt. Quillt in unregelmäßigen Stößen aus der rostigen Leitung. Auch im Waschraum Kälte. Der zuckende Schwall. Ursel wartet, bis er klar aussieht. Legt ihre Unterwäsche unter den Hahn. Schiebt sie beiseite. Rubbelt jedes einzelne Teil mit einem Stück Seife. Spült lange. Ihre Hände blau. An den Gelenken die Finger hellrot.
Der frühe Morgen kriecht durch die schmutzigen Fensterscheiben. Später werden hier die anderen Frauen einfallen und sich an den Hähnen anstellen. Schweigend oder schwatzend. Die meisten ausgemergelt und verwahrlost. Die Frauen können nichts für ihr Aussehen, ihre Ausdünstungen. Trotzdem gibt sie ihnen die Schuld daran, obwohl die andere Schuld schwerer wiegt. Auch ihre eigene wiegt schwer, die sie einsieht mit ihrem Kopf. Nicht mit ihrem Bauch. Am Vormittag oder Nachmittag geht sie nur hierher, wenn sie etwas erfahren will. Über Lebensmittel, die eingetroffen sind, oder über die Züge, die aus der Tschechei nach Deutschland fahren. Die ihre Rettung wären, wenn sie Passierscheine bekämen.
Das Quietschen der eisernen Rosette, als sie den Hahn zudreht. Das Geräusch des nachtröpfelnden Wassers, das auf den Stein trifft. Das Auswringen der Wäsche.
Das kleine Stück Kernseife hat sie gestohlen, als sie ein wenig in der Küche ausgeholfen hat. In der Küche der Sieger. Der Soldaten, die die Flüchtlinge bewachen. Sie schnüffelt an der Seife. Schnüffelt die Reinheit. Denkt an den Dreck in den Toiletten und der Turnhalle, in der sie untergebracht wurden. Denkt auch an die tschechischen Kinder, die jetzt keine Schule mehr haben. Legt die Wäsche in ihre Kiste. In der Waschküche wird sie die Wäsche nicht aufhängen, das wäre zu riskant.
Der Geruch der Kernseife. Früher unfein. Früher, als es in der Drogerie der Eltern parfümierte Seifen zu kaufen gab. Sie waren in bunt bedrucktes Papier eingewickelt und dufteten nach Lavendel, nach Rosenwasser, nach Honig. Die nasse Seife ist glitschig. Sie steckt sie in ihre Unterhose. Ihr Rock hat keine Taschen. Er hat Blumen, die fröhlich wirken. Als sie den Rock vor zwei Jahren in Trebnitz kaufte, ahnte sie nicht, dass es einmal nützlich sein würde, Taschen zu haben.