Die Autorin und Bloggerin Tania Folaji erinnert sich anhand des gerade erschienenen E-Books von Käthe Kruse Lob des Imperfekts an das damalige West-Berlin und an den Segen, den die Hausbesetzer-Instandbesetzer, zu denen Käthe Kruse auch 33 Jahre lang gehört, für die Berliner Altbausubstanz bedeutete:
Leerstand in Berlin. In Kreuzberg, Neukölln, dem Wedding, auch Moabit. Hausbesitzer hatten kein Interesse an Vermietungen, denn Altbauten waren mietpreisgebunden, was sie zu billigen Behausungen machte. Im Kreuzberg meiner Kindheit gab es viele Häuser mit vernagelten Fenstern, im Vorderhaus wohnten noch zwei Omas und ein Trinker und im Seitenflügel Türken. Es gab Firmen, die sich auf Entmietungen spezialisiert hatten; was hieß Glühbirnen im Treppenhaus zerschlagen, Briefkästen demolieren. Wenn dann noch die notwendigen Renovierungen ausblieben oder die Kosten für die Müllabfuhr nicht bezahlt wurde, sich Ratten in den stillgelegten Toiletten auf der Halbtreppe tummelten, konnte eine Abrissgenehmigung erteilt werden. Für die Altbausubstanz in Berlin waren die Instandbesetzer ein Glücksfall, sonst würde die Stadt heute aussehen wie Osnabrück in hässlich.
Die Musik oder das Sich-Ausprobieren wie hier die Tödliche Doris oder die Genialen Dilletanten, konnte spannend, interessant oder uninteressant sein, auch nervig, aber das, was immer im Subtext zu erspüren war, war der Wille zur Freiheit. Was zur Folge hatte, das ziemlich schräge Acts stattfanden, die keinerlei Mehrwert boten. Aber von dem Denken, dass Kunst einen Mehrwert böte, ein Erleben mit evtl. sittlicher Hebung, musste man sich verabschieden. Das Aufbrechen von Darstellendem, Dargestelltem und Publikum fand statt. Diese Art des Denkens war radikal anders und machte Spaß. Und darum geht es doch im Leben.
Überhaupt ist das Blog Elektro vs. Print, auf dem diese Besprechung erschienen ist, eine Fundgrube für digitale Neuerscheinungen und Highlights. Hier geht es zur vollständigen Rezension.