Anton Artibilov schreibt aktuell die vermutlich beste Kurzprosa der Republik. Sie ist pointiert, kritisch und gewitzt, zum Lachen und zum Heulen, stets am Puls der Zeit und durchaus politisch, ohne die Moralkeule zu schwingen. Seine Texte umfassen nur wenige Seiten, manchmal nicht einmal das. Wo immer man ein paar Minuten überbrücken muss, bieten sich seine Miniaturen in Der Niedergang des mikrotext Verlags (mikrotext) oder seine Notiz-ähnlichen Posts in Schöne Geister (Matthes und Seitz) zur schmunzelnden und staunenden Lektüre an.
Seit ein paar Wochen liegt sein Debütroman vor, in dem sich der orale Stil, der seine Kurztexte prägt, ebenso wiederfindet wie das sprunghafte Erzählen, mit dem er die erratische Gegenwart spiegelt. In Angespannt vapen folgt man in kurzen Kapiteln seinem Ich-Erzähler durch das Chaos namens Leben, in dem das Bewältigen des Alltags ständig von Grübeln, Ahnen und Erinnern gestört wird. „Je länger ich darüber nachdenke, was hier passiert, desto mehr fällt mir der Kopf ab“, heißt es an einer Stelle und als Leser muss man bei der Sache bleiben, um nicht aus lauter Sympathie für diese tragikomische Figur den Kopf mit zu verlieren. Denn der Ich-Erzähler von Anton Artibilov schwankt zwischen hypochondrischer Überempfindlichkeit und ontologischer Welterkundung und gerät dabei in einen Rausch, in dem die echte Welt mehr und mehr mit der Spikeball-Welt verschwimmt, in die er sich täglich begibt. Eine irrer Trip durch die Gleichzeitigkeit in einer Gegenwart, in der der Wahnsinn längst Normalität ist.
Thomas Hummitzsch, intellectures, 14. Juli 2025