1. September 2024: Berichte zum Stadtschreiberposten von Dinçer Güçyeter in Bergen-Enkheim

„Eine wortgewaltige Familiengeschichte. Man muss an einen Viehmarkt denken, wenn Hanife nach dem Tod ihres Mannes auf einem Pferdekarren auf den Markt gekarrt wird, um von einem neuen Mann ausgewählt zu werden. So beginnt Dinçer Güçyeter die Geschichte seiner Familie in seinem einzigen Roman Unser Deutschlandmärchen. Erzählt wird sie vor allem aus der Perspektive der Frauen. Mitunter in Monologen, Dialogen und Gedichten wird vom Schicksal der Großmutter als türkischer Griechin, der Emigration aus Anatolien nach Deutschland und den Integrationshindernissen erzählt. Mal nüchtern, mal wortgewaltig, aber immer fesselnd.“

Frankfurter Neue Presse, 30. August

Und (der Appplaus) schwoll nochmal an für die Hauptperson des Abends, den neuen, 51. Stadtschreiber, den Lyriker Dinçer Güçyeter, der, wie es heißt, das schöne Nettetal nur höchst ungern verlässt – man wird also sehen müssen, wie oft er sich im nun für ein Jahr für ihn reservierten Häuschen aufhält. Allerdings „Lyriker“: „An literarische Gattungen glaube ich nicht“, stellte er an den Anfang, „ich schreibe Texte“.

Seine Antrittsrede war „Gib mir ein Pony“ überschrieben, das Pony trabt also quasi als roter, das Publikum erheiternder Faden durch diesen Text, in dem er sich doppel- und dreifachdeutig fragt: „Dinçer, willst du es wagen? Willst du diese unbekannte Reise machen?“ Und in dem er das „zwischen Syntax und Semantik“ Versteckte aufruft. „Ich schwöre auf meine Ehre, durch jedes Gedicht rennt ein Pony.“ Gern tut er so, als hätten andere die besseren, die funkelnderen Wörter, „Wörter so glänzend wie Papageienfedern“. Aber es wird bald klar in diesem, nun ja, Text des zwischen Syntax und Semantik Verborgenen, der außergewöhnlichen Metaphern, die an die Zuhörenden verteilt werden wie an einer Stelle Gummibärchen an Wölfe.

https://www.fr.de/kultur/literatur/stadtschreiberfest-fuer-dincer-guecyeter-ein-pony-haette-er-gern-jetzt-93274468.html
Silvia Staude, Frankfurter Rundschau, 1. September 2024