Rasha Abbas
Eine Zusammenfassung von allem, was war
Erzählungen
Die syrische Autorin Rasha Abbas zeigt in ihren neuen Erzählungen virtuos die Bandbreite ihrer Kunst: urbane Märchen und Traumlandschaften mit starken zeitgenössischen Bildern. Berührende Figuren, Fantasiegebete, Balladen und Monologe von ungeheurer Dringlichkeit.
10,99 € – 20,99 €
Uraufführung und Premiere im Maxim Gorki Theater, Berlin, in der Regie von Sebastian Nübling Ende Januar und Februar 2022. Alle Termine hier.
„Eindrucksvolle syrische Erzählungen. Erinnern in der Skurrilität ihrer Handlung, der Handlungsorte und dem recht freien Umgang mit den Gesetzen der Physik mitunter an Szenarien aus der Welt von Howard Phillips Lovecraft – freilich mit dem wesentlichen Unterschied, dass Rasha Abbas besser zu schreiben versteht. Ihre Übersetzerin aus dem Arabischen, Sandra Hetzl, hat hervorragende Arbeit geleistet … Es ist schier unmöglich, dieses dünne Bändchen, diese bemerkenswerten Kurzgeschichten in einem zu lesen. Vielmehr legt man es nach höchstens zwei hintereinander verschlungenen Geschichten jedes Mal für eine Gedankenpause aus der Hand. Anders geht es kaum.“
Martin Lhotzky, Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Ihre Geschichten sind morbide, sinnlich und zeugen von großer sprachlicher Souveränität.“
dpa
„Mit zusammengekniffenen Augen und aufgerissenem Herz gelesen. Sehnsüchtige, poetische, skurrile Erzählungen.“
Jan Oberländer, Berliner/Tagesspiegel
„Manchmal surreal, oft schonungslos realistisch beschreibt die Autorin die angespannte Beziehung ihrer Protagonisten zu deren meist nur temporärem Aufenthaltsort.“
missio Magazin
„Bemerkenswert ist, wie Abbas die Vielfältigkeit der verschiedenen Fluchtgründe auffächert und dabei weibliche und männliche Erfahrungen gleichermaßen darstellt. … Abbas schreibt in kurzen Sätzen, manchmal mit alttestamentarischem Pathos, nur um dann ihre ästhetisiert davonschwebenden Leser schnell wieder auf den Boden zu bringen.“
Insa Wilke, Süddeutsche Zeitung
„In entwaffnend direktem Ton verarbeitet sie Szenen und Bilder vorwiegend aus Syrien, deren bedrückende Realität sie spielerisch ins Fantastische überführt – teilweise geradezu liedhaft rhythmische Miniaturen über die Fremdheit, aber auch Wunderbarkeit der Welt.“
Petra Kohse, Berliner Zeitung
„Die Figuren der 21 Geschichten haben in menschliche Abgründe geschaut, und die Autorin zeigt, wie sie sich dem Vernichtungswillen anderer mithilfe ihrer Vorstellungskraft widersetzen.“
Sigrid Brinkmann, Deutschlandfunk Kultur
„Ein tadelloses Fünfsterne-Buch: mit einer sehr eigenen Stimme … und der zugleich nüchternen und sprachmächtigen Darstellung dessen, was es heißt, in einer von Krieg und Vertreibung bestimmten Zeit und Welt als Mensch zu überleben und irgendwie klarzukommen. ›Irgendwie klarkommen‹ ist überhaupt das relevanteste literarische Thema der Gegenwart, das wissen nur noch nicht alle!“
Christiane Frohmann, Orbanism
„Eklektisch, intensiv, oft psychedelisch: Viele ihrer Geschichten lassen den Leser plötzlich in einen gespenstischen Hyperrealismus abstürzen.“
Alice Guthrie
„Rasha Abbas treibt all das Abwegige, dem sie begegnete, in ihren Geschichten noch tiefer ins Absurde.“
Carolin Haentjes, Tagesspiegel, über Die Erfindung der deutschen Grammatik
Inhalt: Erzählungen
Zeitschleifen und russische Raketen über Freibädern, paranoide Teenager, Checkpoints und abgelegene Hotels. Drogentrips, Kinoproduktionen für Diktatoren und Exilanten in WG-Zimmern – in Eine Zusammenfassung von allem, was war flackern die Bilder der alten und neuen Heimat grell auf. Diese starken Erzählungen bezeugen die Unabgeschlossenheit von Krisenerfahrung. Sie sind in traumhaften, videospielartigen Welten angesiedelt, aber auch im staubigen Gelbgrau nahöstlicher Ländlichkeit, in tropischen Sumpflandschaften, in endlosen Eiswüsten oder in Max Liebermanns Villa. Und sie lassen überall das zarte, warme Leben durchschimmern. Eine ganz andere Rasha Abbas als in ihren Geschichten Die Erfindung der deutschen Grammatik.
Übersetzung gefördert von Litprom mit Mitteln des Auswärtigen Amtes
Deutsche Erstausgabe
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Mein Name ist unwichtig. Ich bin dreißig Jahre alt. Sie können mich Samt nennen und dürfen mir gerne eine Zigarette anbieten. Ich rauche so wahnsinnig gerne, habe aber nicht immer das nötige Geld, um mir Zigaretten zu kaufen. Wenn ich mir selbst welche drehe, fallen sie immer schon auseinander, bevor ich sie überhaupt rauchen könnte. Oder das Blättchen brennt viel zu schnell ab. Keine Angst. Ich habe einen Schlafplatz. Bei Verwandten von mir, die auch hier in der Stadt wohnen. Aber ich fühle mich dort so fehl am Platz, weil es a) nicht mein Zuhause ist und ich b) keine Miete zahle. Deshalb ist es mir lieber, wenn meine Gastgeber mich tagsüber gar nicht erst zu Gesicht bekommen, und ich dort erst aufkreuze, wenn sie bereits eingeschlafen sind. Jetzt ist es elf Uhr. Es dauert nicht mehr lange, bis ich zurück in die Wohnung kann. Ich arbeite nicht als Prostituierte, wie Sie vermutlich angenommen haben. Ich mag es einfach nur, mich so anzuziehen. Ich schmelze förmlich in diesen knappen billigen Fetzen, mit ihrem vulgären, künstlichen Stil. Wobei ich mich natürlich von Ihrer Frage, ob ich sexuelle Dienste anbiete, durchaus geschmeichelt fühle und Ihre Einsamkeit respektiere. Aber leider ist alles, was ich für Sie tun kann, Ihnen meine Geschichte zu erzählen, und Ihnen so das Gefühl zu geben, etwas Außergewöhnliches erlebt zu haben: Sie haben sich mit einer wildfremden Frau an der Bushaltestelle unterhalten und sind dann weggegangen.
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