Berthe Arlo
Nachts wach
Mit einem Interview zur Pflegesituation heute
Berthe Arlo arbeitete neunzehn Jahre lang in einem Altersheim im Nachtdienst als Pflegehelferin, von Mitte der 1980er bis Mitte der Nuller-Jahre. Sie schrieb auf, was sie dort erlebte. Erstaunlicherweise hat sich an den Verhältnissen nicht viel geändert. Dies verleiht den Texten in Nachts wach eine fast unheimliche Aktualität und sie steigern den Respekt vor Pflegenden immens.
9,99 € – 20,00 €
„Nachts wach ist ein wichtiger, aufrüttelnder Bericht, dem ich viele Leser:innen wünsche. Das Thema geht uns alle an. Egal, ob wir in der Pflege arbeiten oder nicht. Irgendwann werden wir sie selbst brauchen.“
Sophie Weigand, literatourist
„Berthe Arlo schreibt in einem Stil, der wundersam gleichzeitig sachlich und blumig ist – etwa, wenn sie die ausgefallene Garderobe des Pfarrers beschreibt, der mal nur mit breitem Ledergürtel und Stiefeletten bekleidet durchs Haus geistert. Sie lässt dabei starke Bilder entstehen, die aber nicht pathetisch oder gar effekthascherisch sind. Sie schreibt, was ist, was sie und ihre Kolleg*innen erlebt haben – und was Pflegekräfte heute wohl immer noch genauso erleben.“
Martin Spieß, Zebrabutter
„Vielleicht kann man so wie Arlo nur schreiben, wenn man nicht viel Zeit für Schnörkel und Extratouren hat. Wenn man schnell begreifen und schnell handeln muss, weil man schnell in die Welt eines Menschen eintauchen muss, über den man nicht viel weiß und der nicht mehr ganz da ist und noch nicht ganz weg. … Sie schreibt in Bildern, fast Fotografien. Die Zärtlichkeit dem Leben gegenüber entwickelt sich aus den Beobachtungen.“
Frauke Hunfeld, Der Spiegel
„Berlin indie press Mikrotext released a fascinating literary treatment of Germany’s long-standing care crisis. In her confronting memoir NACHTS WACH (Awake at night), the 80-something former care worker Berthe Arlo (pseudonym) offers a direct insight into challenges faced by aged care employees. In journal-style short chapters, Arlo conjures vivid scenes from the daily – rather, nightly – life of a care worker in addition to memorable portraits of demanding elderly patients and exhausted fellow Pfleger*innen.“
Alexander Wells, Exberliner
„Dieses sehr wichtige Buch ist eine anonyme, selbstkritische Selbstanzeige. Es ist auch eine klare Aufforderung an alle Menschen, die in der Pflege Verantwortung haben, endlich ihr Schweigen zu beenden und den ihnen anvertrauten und auch ausgelieferten Menschen endlich eine Stimme zu geben! Nach der Lektüre dieses Buches kann niemand mehr sagen, er habe aber davon nichts gewusst!“
Claus Fussek, per Mail
„Es drängt sich immer wieder die Frage auf, ob es mir selbst auch mal so ergehen wird. Und dennoch sind diese Texte, die vor mehr als 30 Jahren aufgeschrieben wurden, geprägt von einer poetischen Schönheit, und sie lassen den beteiligten Personen ihre Würde. Im Pflegebereich hat sich bis heute an den Verhältnissen nichts geändert. Daher könnte das Buch mit seiner beklemmenden Realität ein Weckruf sein – für eine alternde Gesellschaft und für die Politik.“
Uta Nieper, ekz Bibliotheksservice
„Das aus zwei Personen bestehende Pflegepersonal des Seniorenheims bewegt sich durch künstlich beleuchtete Gänge wie durch eine nicht zu verortende, ewig zäh verrinnende Gegenwart.“
Martina Lisa, Kreuzer Leipzig
„Ein sehr bewegendes Buch.“
Nicola Steiner
„Ein Einblick in eine Welt, die wir nicht so kennen. Ich fand es wichtig, das zu lesen.“
Elke Heidenreich
„Erstaunlich, wie trotz der schlechten Erfahrungen, die die Pflegekräfte machen, und der Abstumpfung, die sicherlich bei den meisten nach einiger Zeit eintritt, wenn sie den Beruf lange ausüben, noch so viel Mitgefühl da ist.“
Katharina Mild, Radio Bremen
„Eine Lektüre, die man nicht mehr vergisst.“
Sieglinde Geisel
Inhalt: Pflege
Berthe Arlo erzählt in Nachts wach in tagebuchartigen Erzählungen von der Realität des Sterbens, von der Überforderung der Pflegenden – und auch von der Unverschämtheit mancher Heimbewohner. Sie lässt kein Tabu aus: Einerseits ist es die ungeschönte, geradezu brutal geschilderte Realität, andererseits ein oft poetischer Text, manches hat einen surrealen Touch, und man denkt unwillkürlich an Dostojewskis Aussage, dass nichts fantastischer sei als die Wirklichkeit. Man möchte das nicht lesen, und doch kann man nicht mehr aufhören: Könnte es meinen Eltern auch einmal so gehen, oder mir selbst?
LADY
Nein, Frau Brahms wollte nicht ins Altersheim, auch wenn sich dies Seniorenheim nannte.
Allerdings hatte sie gegen ein Kurhotel nichts einzuwenden. Also verkauften ihre Angehörigen ihr das ganz gewöhnliche Altersheim als ein sehr vornehmes Kurhotel.
In diesem weilt sie nun schon einige Jahre.
Pflegepersonal? Nie gehört.
Das sind doch die Dienstboten von Frau Brahms.
Sie ist eine Lady, hat Allüren wie ein Opernstar.
Und die lebt sie mit Vorliebe in der Nacht aus.
Lang, dürr, immer in bodenlange weiße oder geblümte Nachthemden gewandet, lustwandelt sie durch die Nachtstunden.
Sie spricht ein gepflegtes Hochdeutsch.
Drückt sich sehr gewählt aus, wenn sie sich denn überhaupt dazu herablässt, das Wort an ihre Lakaien zu richten.
Auf ihre feinen Angehörigen sind die Nachtwachen stocksauer.
Sie brauchen ja nachts auch nicht den Zimmerservice zu machen.
Das sollten die sich mal ansehen!
Hin und her und her und hin durchmisst Lady Brahms ihr Gelass.
Und immer trägt sie dabei ihr geliebtes Fotoalbum im roten Ledereinband unter dem Arm.
Wenn ihr Nachthemd schon eingenässt ist, zieht sie es selbst aus und pfeffert es irgendwo hin,
meistens unter ihr Bett.
Dann trägt sie nichts mehr an ihrem dürren Leib als das Netzhöschen.
(…)