Assaf Alassaf

Abu Jürgen

Mein Leben mit dem deutschen Botschafter

Träumen wir nicht alle davon, uns mit den Behörden dieser Welt gut zu stellen? Noch besser, wenn ein deutscher Botschafter unser Freund wäre! Ein komisch-kritischer Roman des syrischen Autors Assaf Alassaf über die Warterei auf ein deutsches Visum in Beirut.

Aus dem Arabischen von Sandra Hetzl, die Buchausgabe erhält den Extra-Text „Flüchtling von Amts wegen“, zuerst erschienen in der Literaturzeitschrift Edit

4,99 13,99 

4,99  E-Book

etwa 200 Seiten auf dem Smartphone

ISBN 978-3-944543-27-7
13,99  Taschenbuch

146 Seiten

ISBN 978-3-944543-36-9
E-Book

etwa 200 Seiten auf dem Smartphone

Taschenbuch

146 Seiten

16. Oktober 2015 / 14. Juli 2016

Produktsicherheit

„Sehr lesenswerte Groteske.“
radioeins

„Eine Entdeckung: eine Perle in dieser Flüchtlingsdebatte.“
ZDF/Aspekte

„Geradezu existenzialistische Tiefe, gleichzeitig lockerleichtes Fabulieren, diese arabische Erzähltradition.“
Deutschlandradio

„Das Buch der Stunde.“
Literarische Welt

Inhalt: Warten auf ein Visum

Er will nur eines, ein deutsches Visum: In seinem Debüt entwirft der syrische Autor Assaf Alassaf eine irre Kampagne für sein #delicious_german_viza und erzählt von der imaginären Freundschaft zwischen einem deutschen Diplomaten und einem geflohenen Syrer.

Doch während die Bürokratie langsam oder besser: gar nicht mahlt, entpuppt sich die Geschichte dieser scheinbaren Zweckfreundschaft als etwas völlig anderes. Bald sind die Rollen vertauscht. Der vermeintliche syrische Bittsteller hilft dem Diplomaten aus den absurden Schlamasseln, in die dieser sich verstrickt: eine durch Taubenzüchtung ausgelöste Ehekrise, ein aussichtsloser Investitionsplan für das Botschaftsgelände, ein wahnwitziges Fotoshooting.

Ein fulminanter, komischer Roman voller Selbstironie über die kafkaeske Warterei auf ein Visum und über eine seltsam zärtliche und groteske Annäherung.

Dieses E-Book wurde in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung produziert.

Die Sandwich-Bestellung des Herrn Botschafters

Ich streckte meinen Arm aus, um dem Verkäufer am Falafelstand meinen Kassenbon herüberzureichen. Der machte eine kurze abwehrende Kopfbewegung und sagte: „Wart noch kurz. Lass mich erst einmal die Bestellung des Herrn Botschafters bearbeiten.“

Ich warf einen Blick auf den Mann neben mir. Ich sah mir sein Gesicht genau an. Tatsache, er war es wirklich. Der deutsche Botschafter, wie er leibt und lebt.

Ich sagte zum Verkäufer: „Leg in das Sandwich des Herrn Botschafters noch ein paar Falafel-Bällchen und Chillies extra.“

Dann zwinkerte ich dem Botschafter zu: „Du und deine Frau werdet mich hierfür doch sicher in euer Gebet einschließen, stimmt’s?“

Da sagte der Botschafter: „Entschuldigen Sie, aber mir erschließt sich nicht ganz, wer Sie sind.“

Ich sagte ihm: „Also wirklich, schäm dich! Ich bin doch der Mann hinter der Kampagne für das deutsche Visum.“

Da entfuhr es dem Botschafter: „Ach, du bist dieser Abu Rita, der uns hier die ganze Zeit auf Facebook blamiert!“

Ich sagte ihm: „Komm, nimm dein Sandwich. Lass uns zusammen essen und am Tisch weiterquatschen.“

Er grabschte sich noch eine Handvoll eingelegte grüne Peperonis und wir setzten uns.

Ich sagte: „Mann, erlöse uns doch endlich! Gib mir doch endlich dieses hochheilige Visum, damit ich nach Deutschland fliegen und meine Frau und meine Töchter nachholen kann.“

Er sagte: „Du hast mein volles Mitgefühl. Aber, bei der Ehre meiner Schwester, Abu Rita, was ich jetzt sage, ist die volle Wahrheit: Die Regierung hält uns zur Zeit sehr an der kurzen Leine. Wir haben überhaupt keine Bewegungsfreiheit, alle Augen sind auf uns gerichtet.“

Ich sagte ihm: „Na gut, und was ist dann die Lösung? Bruder, du musst mir helfen. Ich will dieses Visum, bei diesem Barthaar hier …“

Bei diesen Worten streckte ich meine Hand aus und riss ihm ein Haar aus seinem Schnurrbart aus. Der Botschafter zuckte zusammen.

Dann überlegte er und sagte: „Schau mal, Bruder. Nächsten Monat werden wir ein Flugzeug direkt von uns nach Deutschland schicken. Die Maschine ist zwar komplett belegt, aber es gibt noch zwei Extraplätze. Die lassen wir normalerweise für die Leute der politischen Staatssicherheit frei, du weißt schon, Kollege Abu Ali und Konsorten. Ich werde versuchen, dir einen von den Plätzen zu geben.“

Ich sagte ihm: „Kein Problem, mein Freund. Ich kann im Stehen mitfliegen. Hauptsache, meine Frau und die Mädels kriegen einen Sitzplatz.“

Er sagte: „Ja, aber wie soll denn das gehen, im Stehen? Weißt du was, du nimmst einfach den Platz des Kopiloten. Sobald die Maschine abgehoben hat, kommst du und setzt dich auf seinen Platz. Du weißt ja, der Kopilot ist ohnehin den ganzen Flug über damit beschäftigt, zwischen den Reihen auf und ab zu laufen und Wasser, Schwarztee und Kotztüten zu verteilen. Ich bin mir sicher, dass du deinen Spaß haben wirst, wenn du dort sitzt. Da kannst du Tee trinken und rauchen, wie du Lust hast. Und der Pilot kommt aus deiner Gegend. Ein irakischer Musikliebhaber vom Feinsten. Pack dir zwei, drei Kassetten mit ein und ihr werdet euch bestens miteinander verstehen.“

Ich sagte ihm: „Wollen wir’s hoffen, mein Freund, wollen wir’s hoffen. Na gut, ich muss dann mal los. Ich warte also auf eine Nachricht von dir. Bestell dir noch ein Sandwich, das geht auf mich.“

#delicious_german_viza

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Der Autor, die Übersetzerin

Assaf Alassaf wurde 1976 in Deir ez-Zor, Syrien geboren. Er studierte Zahnmedizin in Damaskus und arbeitet hauptberuflich als Zahnarzt und nebenbei auch als Journalist. Seit 2007 hat er zahlreiche Artikel in arabischen Tageszeitungen wie Al Hayat und Al Mustakbal veröffentlicht. Im Jahr 2013 zog er von Damaskus nach Nouakchott in Mauretanien, wo er als Zahnarzt arbeitete. Ab Anfang 2014 lebte er in Beirut und arbeitete in einem medizinischen Zentrum für syrische Flüchtlinge. Er ist verheiratet mit seiner Frau Nibal und hat zwei Töchter, Rita und Nay.
Auf Facebook schreibt er seit 2013 literarische Anekdoten über die Revolution und den Krieg in seiner Heimat, über seine Reise nach Mauretanien, sein Leben im Libanon und die Zahnarztpraxis. Die Posts und Geschichten über Abu Jürgen, den deutschen Botschafter entstanden in der Zeit zwischen November 2014 und Februar 2015 und erschienen als Buch und E-Book. Anfang Januar 2016 erhielt er ein Stipendium Das weiße Meer für einen Gastaufenthalt im Literarischen Colloquium Berlin, im Frühjahr 2016 ein Stipendium auf Schloss Solitude.

Sandra Hetzl, geboren 1980 in München, übersetzt literarische Texte aus dem Arabischen, u.a. von Rasha Abbas, Haytham El Wardany, Kadhem Khanjar, Mohammad Al Attar, Bushra al-Maktari, Aref Hamza und Assaf Alassaf. Manchmal schreibt sie auch selbst. Sie ist Gründerin des Literaturkollektivs 10/11 für zeitgenössische arabische Literatur und des Literaturfestivals Downtown Spandau Medina.

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