Anaïs Meier

Über Berge, Menschen und insbesondere Bergschnecken

Kurzgeschichten

Anaïs Meier gehört zu einer jungen Generation deutschsprachiger Schreibender, deren Bewusstsein für die Gegenwart auf ein kritisches Geschichtswissen trifft; Zustände werden gnadenlos und scharf angeprangert. Ihre Texte sind schnoddrig und sehr sorgfältig gebaut.

7,99 14,99 

7,99  E-Book

etwa 250 Seiten auf dem Smartphone

ISBN 978-3-948631-00-0
14,99  Hardcover

96 Seiten

ISBN 978-3-948631-01-7
E-Book

etwa 250 Seiten auf dem Smartphone

Hardcover

96 Seiten

24. August 2020

Produktsicherheit

Ausgezeichnet mit dem Förderpreis Komische Literatur 2022

Nominiert für den Weinfelder Buchpreis 2021

„Anaïs Meier überrascht als neue, ja: unerhörte Stimme literarischer Komik. Ihre Prosa ist künstlerisch bestechend, poetisch dicht und doch leicht, lustig und zugleich ernsthaft. Die Kurzgeschichten des Bandes Über Berge, Menschen und insbesondere Bergschnecken bieten ein einfallsreiches Lob der Torheit, das sich im Spektrum zwischen Gemeinplätzen zur Schweiz und Lifestylemoden bewegt und dabei gekonnt diverse Schreibweisen persifliert.“
Aus der Jury-Begründung zum Förderpreis Komische Literatur 2022

„In ihren Kurzgeschichten bringt Anaïs Meier Verschwiegenes unverblümt zur Sprache. Das ist überraschend und erfreulich komisch. Sie macht aber auch das Gegenteil davon. Sie schreibt über die größten Schweiz-Klischees und weidet diese genussvoll aus. Aber eben sprachlich auch wieder vollkommen überraschend anders. Das ist Satire, die manchmal im Kleid einer Reportage, mal in Form eines analytischen Kommentars, dann wieder als Persiflage einer wissenschaftlichen Arbeit daherkommt. Traditionell Verfahrenes ist ebenso Thema wie neumodische Torheiten, Lifestyle und unterschätztes Gemüse. Diese Kurzgeschichten sind alles: von schräg poetisch bis krass lustig.Anaïs Meier vermag aus Alltagsmüll Gold zu schürfen und wer kann das schon von sich behaupten?“
Markus Köhle, Innsbrucker Prosafestival

„Grossartig-skurrile Erzählminiaturen aus den Untiefen der Schweizer Lebenswelt.“
Republik

„Gerade die Kürze der Texte beeindruckt, fein komponiert und äussert genau gearbeitet, tun sie richtig weh (da hilft auch die versöhnliche Zwiebel am Ende nichts mehr). Ich bleibe dabei: Anaïs Meier ist ein böser Mensch. Und wir benötigen dringend mehr davon.“
Nick Lüthi, BookGazette

„Hier ist eine Autorin am Werk, die das neuste Autorinnengenie der Schweiz werden möchte. Das finde ich echt mal einen Boss Move.“
Marion Regenscheit, Podcast Buch Basel

„Es ist der Anti-Bärfuss-Blick. Es ist der andere Blick auf die Schweiz, der sich nicht herausnimmt zusammenzufassen, was nicht stimmt, mit diesem Land, sondern eben auf die Walserische Art daneben zu stehen und sich das alles zu notieren.“
Lucien Haug, Podcast Buch Basel

„Als Bühnentexte, daran besteht kein Zweifel, funktionieren diese Kurzgeschichten vorzüglich. Und besonders hierzulande könnte die Autorin, samt ihren Texten, au den populären Lesebühnen in Berlin, Leipzig oder Hamburg reüssieren. So ein Live-Event lädt schließlich dazu ein, gemeinsam herzhaft über Klischees zu lachen.“
Marlen Hobrack, der Freitag

„Ich habe dieses Buch mit Haut und Haaren verschlungen und es für einen der besten deutschsprachigen Texte befunden, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Humor und nicht nur Ab- sondern auch Tiefgründigkeit sind hier polyamourös vermählt. Glücklich, denn sie dürfen gleichermaßen in diesen kleinen Prosaperlen ihre Geltung entfalten. Ein ausnehmend einnehmender Schreibstil!“
Sofie Steinfest, auf Amazon

„Das ist brillant. Jeder, wirklich jeder Satz ist ein Messer. … Inhaltlich will ich gar nicht zu viel verraten, nur so viel: Was magst du lieber? Das Meer oder die Berge? Bist du in den Bergen aufgewachsen oder auf dem flachen Land? Oder am Fuße der Berge? Dann bist du laut Anaïs am ärmsten dran.“
Gertrude Blümenkohl

„Aus der naiv-einfach getarnten Wortlandschaft springt plötzlich ein Tiger, ein hochkomplizierter sprachphilosophischer Beweis! Das ist alles sehr lustig, gnadenlos einfühlsam und so trocken, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt.“
Michelle Steinbeck

Inhalt

Brave Schweizer Bürgerinnen und Bürger spüren das Außerordentliche heftig in sich pochen. Es sind Menschen von gegenüber, Menschen aus dem Dorf, Menschen, die wir alle kennen, die hier portraitiert werden. Anaïs Meier wählt bewusst aus, guckt genau hin und schafft das Kunststück, Figuren zu zeichnen, die einem sofort bekannt vorkommen, ohne dass sie je einem Klischee entsprechen. Die weitgereisten Althippies, der Hipsterkoch und die Erfinderin der Crazy Ellipse – sie alle machen die Schweiz zu dem, was sie ist: ein Rencontrée der Sonderlinge.

Keineswegs werden diese Figuren aber vorgeführt, vielmehr werden sie vor der Folie der Gegebenheiten gezeigt. Es geht also nicht darum, dass jemand ins Lächerliche gezogen wird, sondern vielmehr um eine hintersinnige Kritik an Systemen, am vermeintlich Unumstößlichen unserer Gegenwart.

Wir danken dem Kanton Zürich, der Stadt Zürich, dem Kanton Bern, der Stadt Bern und der Gemeinde Hindelbank für Druckkostenzuschüsse.

Über Berge, Menschen und insbesondere auch Bergschnecken

Berge sind hoch und fies. Sie sind aus sehr grossem Stein, stehen da und zwingen sich auf. Berge sind ungemein selbstbezogen und dominant. Wenn man einen Berg ärgert, schickt er Lawinen. Im Winter aus Schnee und im Sommer aus Schlamm und Geröll.
Die kleinen Freunde der Berge sind die Bergbäche. Einzig sie werden vom Berg geduldet. Alle anderen hasst er. Die Bergbäche haben sich über Jahrtausende langsam eine kleine Zuneigung des Berges erschleichen können. Wobei erschleichen nicht ganz korrekt ist. Sie waren einfach da und sind geblieben, ohne auch nur einmal zu widersprechen. So lange spielten sie sein Spiel mit, dass sie eigentliche Lakaien des Berges wurden. Die Bergbäche tun alles, was der Berg ihnen befiehlt.

Am Berge merkt man, wer man ist. Manche sagen, am Berg vergisst man sich selbst. Die, die das sagen, haben sich dem Berg ebenfalls unterworfen. Sie akzeptieren, ja, huldigen der Dominanz des Berges. Sie sagen, sie finden das toll, und ziehen ihre Schneeschuhe an. Das tun sie, weil sie Angst haben. Menschliche Liebe zum Berg ist immer ein Sich-vor-ihm-verbeugen. Die Menschen ducken sich vor dem Berg, obwohl der Berg viel höher ist als die Menschen. Es wäre an ihm, sich zu ducken.

Für die Jugendlichen, die im Schatten von Bergen aufwachsen, ist es ein trauriges Dasein. Deshalb bringen sich manche von ihnen um. Andere, jene, die direkt auf dem Berg ihre Jugend verbringen, schnallen sich Bretter an die Füsse und bauen Schanzen.

Mit den Brettern hüpfen sie dann über die Schanzen und hören laut Punkrock und bilden sich dabei ein, dass sie genauso viel, wenn nicht noch mehr Spass haben als die Jugend an fernen Orten. Eine Jugend, die Berge nicht kennt, nur breite Ebenen und Meere und grosse Städte, wo sie sich ausbreiten und entfalten kann.

Dass die Jugendlichen auf dem Berg ihre Jugend mit den Brettern, Schanzen und Punkrock als glücklich empfinden, hat mit dem manipulativen Charakter des Berges zu tun. Er verdünnt die Luft um die Menschen, die auf ihm herumturnen, damit sie debil werden und denken, sie hätten eine gute Zeit.

Die Menschen, die älter geworden sind in der Nähe der Berge, also jene, die sich nicht umgebracht haben in dessen immerwährendem Schatten, sind mittlerweile derart verzweifelt, dass sie aus Ton Menschen herstellen, die noch kleiner sind als sie selbst. Diesen kleineren Menschen ziehen sie bunte Kappen an und geben ihnen kleine Garteninstrumente in die Hände. Dann betten sie sie an lauschige Orte in ihren Gärten, was ihnen kurze Momente von Humor beschert.
Eigentlich ist ihr Verhalten aber nur ein Ventil für ihre Minderwertigkeitskomplexe, ausgelöst vom Gefühl des totalen Ausgeliefertseins, das man angesichts der Gewalt, die vom Berg ausgeht, verspürt. Das ist kein kurzer Moment von Humor, den die mittelalten mittelländischen Menschen verspüren, wenn sie auf ihre Gartenzwerge schauen. Eigentlich geht es darum, dass sie sich auch wie ein Berg fühlen wollen. Die Menschen lieben ihre Gartenzwerge nicht, sie verachten sie. So wie der Berg die Menschen verachtet.

(…)

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Die Autorin

Anaïs Meier, geboren 1984 in Bern. Sie studierte Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Im Winter 2021 erschien ihr Romandebüt Mit einem Fuß draußen bei Voland & Quist. Ihre Erzählungen Über Berge, Menschen und insbesondere Bergschnecken sind ihr Prosadebüt. Sie gehört dem Autorinnenkollektiv RAUF an. 2022 wurde sie für ihre Prosa mit dem Förderpreis Komische Literatur der Stiftung Brückner-Kühner ausgezeichnet.

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