Pulad Mohammadi
Strategien gegen die Kunst
Essay
Bei einem Spaziergang im Düsseldorfer Volksgarten beobachtet Pulad Mohammadi die Menschen, die den Park pflegen. Der studierte Ökonom und Künstler nimmt dies zum Ausgangspunkt für seinen Essay über eine Krise in der Kunst: Für welche Öffentlichkeiten arbeiten Künstler*innen heute?
2,99 €
„Eine derart zärtliche Streitschrift ist mir selten untergekommen.“
Anne von Adebar
„Auf gelungene Weise setzt sich Pulad Mohammedi in Strategien gegen die Kunst mit der Ökonomie der westlichen Kunstszene und ihren zentralen Akteur:innen auseinander. Vor dem Spiegel der Pandemie dekonstruiert Mohammadi hierbei (Soll-)Bruchstellen der Kunstwelt, reflektiert seine Identität als freischaffender Künstler und stellt Sinn, Zweck und somit Daseinsberechtigung seiner selbst und seines künstlerischen Schaffens unter diesen veränderten Bedingungen einmal mehr in Frage. So zieht er uns mit biografischen Elementen in einen brandaktuellen Diskurs, der manchen Künstler:innen, Galerist:innen, Kurator:innen, Rezeptient:innen und Lehrenden der bildenden Künstler zwar Bauchschmerzen bereiten mag, der aber auch einen Hoffnungsschimmer mit sich bringt: für ein künstlerisches Leben, das sich der Kreativität des Seins verschrieben hat und nicht gefällig dem rezenten Kunstmarkt. Eine wahre Bereicherung.“
Katarina Fritzsche
„Während des Burnouts war ich eigentlich zu nichts mehr zu gebrauchen. Ich konnte keine Gitarrengriffe mehr halten, keine Pinsel richtig führen und ins Atelier ging ich auch nicht mehr, weil ich dort Beklemmungen bekam. Ich musste etwas finden, woran ich mich hochziehen kann und Kreativität hat mir immer Halt gegeben. So kam ich zum Schreiben und es funktionierte, weil ich durch die Sprache sowohl malerisch als auch musikalisch sein konnte. Ich fühlte mich beim Schreiben wieder wie ein Maler. Das fühlte sich selbstverständlich an.“
The Dorf: Interview mit Pulad Mohammadi
„In seinem Essay Strategien gegen die Kunst reflektiert er sein Aussteigen aus dem Künstlerleben und fordert andere Formen der Kreativität.“
monopol Magazin
Inhalt: Kunstbranche
Nach seinem Burnout stellt der Künstler Pulad Mohammadi eine Krise in der Kunstwelt fest: Sein Essay beschreibt die Missstände der Kunstbranche aus der Perspektive der Künstlerinnen und Künstler in der Selbstausbeutung und setzt diese in einen gesellschaftlichen Zusammenhang.
Eine neue Form von Gemeinschaftlichkeit und das Ziel, sich wieder mit dem Gemeinwohl zu verbinden, könne das künstlerische Schaffen wieder in die Mitte des Lebens bringen.
Premiere am 30. März, 20 Uhr
Für mich war es Zeit aufzuhören, für die Kunst zu malen. Bewusst wurde es mir in einem bestimmten Moment im Volksgarten, als ich mein Kind vor ein Bündel aus Zweigen hielt. Weiß umrahmt von Blüten wie von einem wilden Kranz unbeschriebener Blätter leuchtete sein Gesicht voller Geschichten zukünftiger Sonnenstrahlen. Aber alle Geheimnisse, alle Offenbarungen waren mir in diesem Moment gleichgültig, da ich mich in der Realität des Kindes befand. Während meine Frau versuchte, uns zu fotografieren, hielt das Kind nicht still, es zappelte, es spielte mit den Ästen und drehte sich trotzig weg. Da waren nun meine Gedanken. Ich dachte in diesem Moment: Ich höre auf zu malen, weil das Bild, was ich malte, plötzlich mein Leben war. Doch unbewusst malte ich tagein, tagaus immer weiter. Ich malte den ganzen Volksgarten und erst allmählich wurde mir klar, was der Unterschied zum Vorher war: dass ich malte, es aber keine Kunst mehr war.
Ich malte wie immer, erst irgendwo in meinen Gedanken, lange noch, bis ich es auf die Leinwand bringen würde, doch der Wille, etwas als Kunst hervorzubringen, hatte mich losgelassen. Es war mir nicht mehr wichtig, ob es Kunst wurde, was ich tat, ob ich meine Malerei in etwas materialisierte, das Erwartungen an ein Kunstwerk entsprach. Die Kunst war von mir gegangen, wie ein parasitärer Geist, abgelegt, wie ein schweres Kreuz, sie erlöste mich von einem töricht gesprochenen Schwur, von einem unerfüllbaren Vertrag.
Ich hatte die Kunst geliebt, sie war mein Schutz vor der Unerträglichkeit der Welt, mein Schutz vor der Ziellosigkeit. Ich dachte, sie gehöre für immer zu mir.
Wer war ich nun ohne sie, war ich kein Künstler mehr?