Sarah Raich
Dieses makellose Blau
Geschichten
Die Geschichten von Sarah Raich zeigen, wie es unter der Oberfläche brodelt, wenn Menschen zusammenkommen, aneinandergeraten oder sich aus dem Weg gehen.
7,99 € – 14,99 €
„Wer angeditsche Figuren, präzise Sprache und beste offene Enden liebt, sollte Sarah Raich lesen.“
Simone Buchholz
„Aus einer alltäglichen Handlung … entwickelt sie eine Seelenschau, die an Blue Velvet von David Lynch denken lässt. Literatur für jetzt sofort.“
Rheinische Post
„So vielfältig und facettenreich die einzelnen Ausschnitte aus dem Alltag auch sind, haben die Erzählungen eine Gemeinsamkeit: Die Protagonistinnen sind durchdachte, detailreich gezeichnete Frauenfiguren, die nicht weitermachen wollen wie bislang und einen Neuanfang wagen.“
Edition F
„Diese kurzen Texte sind von ausnehmender Schönheit und sprachlicher Eleganz.“
Sibylle Luithlen, Titel Kulturmagazin
„Es sind kleine Erzählungen über die Sensibilität und die Verletzlichkeit des Lebens. Und so sind die scheinbar stillsten Momente in den Texten oft auch die intensivsten.“
Frankfurter Rundschau
„In Sarah Raichs Stories kan man blättern wie in einem Pantone-Fächer. Ihr Stil ist klar wie das Meer an manchen Tagen – und die Episoden so schillernd wie das Leben selbst.“
Barbara Weitzel, Welt am Sonntag
„Mit einem Satz reißen die Geschichten ihren Spielraum auf, verfolgen dann Figuren, meist Frauen, die dunkel sein dürfen, statt ihre Handlungen an Erklärungsfäden aufzuhängen. Überhaupt wird hier mit wunderbaren Offenheiten operiert, mit Lücken, die sich lesend füllen lassen.“
Martin Lechner
„Es ist beeindruckend, wie die Menschen in Dieses makellose Blau keine Nähe suchen wollen, sie dann aber doch immer wieder finden, und sei es in Erinnerungen.“
Till Raether
„Dieses Buch ist eines, das wirken muss. Die Geschichten kostet man am besten happenweise wie ein Stück dunkle Bitter-Schokolade, das langsam auf der Zunge schmilzt. Sarah Raichs Prosadebüt ist nämlich genau das: Oft ein tiefer Einblick in die bittersüße Gedankenwelt von Frauen, manchmal ein Schlag in die Magengrube, alle schräg und so bildhaft, dass sie lange im Kopf nachtönen.“
Katkaesk
„Bei Raichs Geschichten fühlt man sich unwillkürlich an das Bonmot von Roger Willemsen erinnert, wonach man das Leben nicht verlängern, sehr wohl aber verdichten könne.
Die Autorin verdichtet Lebensumstände ihrer Protagonistinnen konzentriert auf die Schilderung von Situationen. Es sind knappe, aussagekräftige Bilder, sowohl deskriptiv, als auch metaphorisch.“
Die Spiegelungen
„Geschichten, die über sich selbst hinausweisen und sich deine Seele greifen! Ich habe sie alle gelesen und bin betört, bestürzt, begeistert!“
Phil Mira, auf Twitter
„Junge literarische Avantgarde.“
Karoline Knappe, Deutschlandfunk Kultur
„Sarah Raichs Kurzgeschichten sind Blicke in den Abgrund, von denen ich gar nicht genug bekommen kann.“
Nicole Seifert, Nachtundtag.blog
„Kurzgeschichten sind hierzulande eine vernachlässigte Textgattung. Wer die Texte von Sarah Raich gelesen hat, kann über diese Tatsache nur verwundert den Kopf schütteln.“
Magda Birkmann, Buchhändlerin
Inhalt
Eine Frau sucht ihre Katze in der Vorstadtnachbarschaft. Zwei Freundinnen tragen einen Tisch durch den Garten. Ein Mutter schiebt ihr schreiendes Kind durch den Wald. Ein Mann ärgert sich über den nicht aufheulenden Motor seines Miet-Automatik-Autos und darüber, dass er bei einer jungen Frau nicht gelandet ist, obwohl er ihre Titten kneten durfte. Ja, und? Was ist jetzt?
Im Zentrum der genau gearbeiteten Erzählungen von Sarah Raich stehen Frauen, manchmal als Objekt, meist als emotional ausmanövrierte, ratlose Protagonistinnen, die alles wollen, nur nicht mehr weiter so wie bisher. Es sind psychologische Kammerspiele mit starken Bildern, deren Figuren und Szenen lange im Kopf nachhallen.
Buchpremiere
- 7. März 2021, 20.30 Uhr: Signierstunde und Gespräch mit Sarah Raich
Die Hand
Der Mund war ein Problem. Beim Reden. Oder auch beim Lachen. Wenn sie das spürte, fror sie manchmal ein. Mittendrin. Aber auch ihre Hand. Wie sie sich auf das Dekolleté legte, wenn sie sonst nicht wusste, wohin. Das war dann nicht mehr sie. Das war SIE. Es hatte eine Zeit gegeben, da glaubte sie, sie los zu sein. Hatte sie einfach hinfortgewischt. Aus ihrem Leben. Die Kleider entsorgt, den Schmuck fortgegeben. Alles weg. Es hatte geholfen, dass sie ihr kaum ähnelte. Ganz andere Augen, Nase, Mund. Andere Haare, Hände, Körper. Ganz anders. Hatte sie gedacht. Nicht wie ihre Schwester. Der die Mutter in den Leib geschrieben war. In die Brüste, die Locken und die Hüfte. Sie hatten seit Jahren keinen Kontakt mehr. Sie selbst war ein ganz anderer Mensch. In einer ganz anderen Welt. Konzerte. Parties. Uni. Große Männer, die gut reden konnten, die wussten, wie man in einem Restaurant bestellte. Und sie wusste es irgendwann auch. Nur ihre Vagina, nein, das exakte Wort war die Vulva, das was man außen sah, denn das Innere, ob das vergleichbar war, das wusste sie ja nicht. Bei der Vulva, da erahnte sie eine Ähnlichkeit. Eine Ahnung, die sie überfiel, wenn sie sich zufällig nach dem Duschen im Spiegel sah. Erinnerungen an das alte verdampfte Badezimmer und die nackte Frau, die sich mit harten rhythmischen Bewegungen die Scham trocknete. Aber das war einfach. Sie schaute nicht hin, sondern schaute ihre Brüste an, die von ganz anderen Genen geformt waren. Klein und straff. Begonnen hatte es mit der Hand. Ein Abend mit Freunden. Erst Restaurant, dann Bar. Die dunklen Lichter flirrten in ihren Augenwinkeln. Sie trug ein enges Kleid, das ihre schmale Figur betonte. Irgendjemand sagte etwas Witziges, was es war, hatte sie vergessen. Aber sie erinnerte sich genau an das Gefühl, vor lauter Lachen die Kontrolle über ihren Körper zu verlieren. Ein Lachen, das sich aus hier herauszwängte und sie übermannte, das die Augen unattraktiv zusammenkniff und den Mund aufriss, als gehöre er einem hungrigen Tier. Und in diesem Moment geschah es. Sie hatte die Hand erst bemerkt, als sie schon dort lag. Die Hand. Auf ihrem Brustbein, die Finger gestreckt. Der Handteller durchgedrückt. Ein wenig wie die Haltung einer Madonna im Rokoko, wenn der Engel zum ernsten Gespräch herabsteigt. Diese Hand war ihr so vertraut, aber das Gefühl, dass sie nun an ihrem Körper saß, glich einem Schock. Sie musste an diesen Film denken, als sich der Alien aus dem Körper des Astronauten bohrt und sich dann einen Zylinder aufsetzt und singend über den Thresen spaziert, „Hello my darling“ singend. Hello my darling. Nein: Hello darkness, my old friend. I have come to talk to you again. „Du warst Mama schon immer am ähnlichsten“, sagte sie und lachte. „Wie kommst du denn auf so ’nen Scheiß“, fragte die Schwester zurück und wollte das Telefon auf der Tischkante zerschlagen.