Sarah Khan
Weihnachten mit Hüsniye
Erzählung
Hüsniye fehlt eines Tages. Sarah Khan erinnert sich an die Kinder der Gastarbeiter, die oft seltsam gekleidet allein auf dem Schulhof standen. Doch wer ist man selbst, wenn die eigene Wiege in Nordelbien stand (ev. Kirchenkreis), aber der Vater in Hamburg mit Glitzertüchern den Orient neu errichtet?
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„Eine Rückschau mit ,Migrationshintergrund‘.“
Oliver Jungen, FAZ
Inhalt: Multi-Kulti Weihnachten
Sarah Khan wuchs in den 1970er Jahren bei ihrem alleinerziehenden muslimischen Vater in Hamburg auf. An Weihnachten brachte er die Kinder immer zu ihrer deutschen Familie: zu all den Onkels und Tanten und zu Opa Werner, einem Pastor im Kirchenkreis Nordelbiens. Für einen Pastor ist das Fest der Liebe der härteste Arbeitstag des Jahres, und in seinem Haushalt versammeln sich die unterschiedlichsten Gäste.
Weihnachten als Multi Kulti-Erlebnis, nicht ganz spannungsfrei, wenn es um Lebensart, Alkohol oder Ironie geht, aber lustig und in seiner eigentümlich verkrampften Multikulti-Verbissenheit auch sehr deutsch. Es gab neben russischen Eiern, Wiener Würstel und Kartoffelsalat auch Streit, Diskussionen – und eine gehörige Tracht Predigt in der Mitternachtsmesse, zu der alle mitgingen.
Sarah Khan scheiterte als Kind daran, aus ihren Eindrücken eine Geschichte zu schreiben. Drei Jahrzehnte später gelingt es ihr, und sie erzählt uns eine Weihnachtsgeschichte von der Sehnsucht nach Zugehörigkeit.
Weil mein Vater plötzlich alleinerziehend war, nachdem die Mutter uns verlassen hatte, und neben der Arbeit als selbständiger Kaufmann mit den Dingen des Haushalts vollkommen überfordert, hatte er oft keine Wäsche gewaschen oder keine neue Kleidung gekauft.
Ich fand morgens nichts anderes als die Gewänder, die mit goldenen oder silbernen Glitzerfäden durchwirkt waren und vom letzten Pakistanurlaub stammten. Der UN-Helfer-Look ergab sich vor allem aus der Kombination dieser Gewänder mit einem Anorak und dicken Stiefeln. Die Stiefel allerdings schützten vor dem matschigen Hamburger Schnee nie richtig und mit nassen, halb erfrorenen Zehen, auf dem Weg zur Schule, stellte ich mir meine erschütterten Leser vor, vor allem meine blöden Mitschülerinnen und die grausamen Lehrerinnen, wie sie bebten angesichts meiner Weihnachtsgeschichte von der armen Hüsniye. Denn wisset, mitten unter euch leben kleine Kinder, die nicht mitfeiern dürfen und traurig werden.