Faiz, Julia Tieke
Mein Akku ist gleich leer
Ein Chat von der Flucht
In seiner Heimat Syrien droht ihm die Verfolgung durch das Regime von Bashar al-Assad. Also flieht Faiz durch die Wälder auf der Balkanroute. Sein Handy hat er, wie alle Flüchtlinge, immer dabei, und er chattet, cool und doch verzweifelt, mit einer Deutschen, die er in der Türkei kennengelernt hat.
„Bühnenreif.“
Elke Heinemann, FAZ
„Das Protokoll gibt einen Einblick in die Lebensrealität tausender Flüchtlinge.“
Zeit Online
„Lohnenswert und lesenswert, aufrüttelnd, ehrlich, menschlich!“
Sophie Weigand, Literatourismus
„Grandios. Ein spannendes Zeitdokument, das den Fremden zum Menschen macht. Pflichtlektüre für Festungsbewohner.“
Elisabeth Dietz, Bücher-Magazin
„Ein aufrüttelndes Dokument der Menschlichkeit.“
Kerstin Scheuer, Blog
„Drastischer, unmittelbarer kann Literatur kaum sein … Wenn Julia und Faiz sich aufeinander beziehen, in skeletthaft reduzierten Sätzen, schaffen sie genau das, was Literatur schaffen will: Sie schreiben gegen die Zustände an, sie schreiben gegen das Vergessen, für die Menschlichkeit. Sie schreiben sich selbst.“
Gertrude Blühmenkohl, Lovelybooks
„Hier gibt’s eine dramatische Geschichte, deren Hintergründe man sich selbst denken darf. Es ist wirklich sehr anders als die klassischen Briefwechsel der großen Denker, wie sie gelegentlich als Coffee-Table-Books herumliegen. Hier bekommt man beim Lesen keine umfassende gesamtgesellschaftliche Betrachtung einer politischen Situation. Stattdessen wird man eingeladen zum Selberdenken.“
Blog Papas Wort
„Absolut empfehlenswert.“
Tanja Folaji, Elektro vs Print
„Ein gutes Beispiel für die Aktualität und die Textsorten, die mit digitaler Literatur möglich sind.“
Frank Rudkoffsky, Blog
Inhalt: Flucht über die Balkanroute
Es ist strapaziös und gefährlich, das eigene Land auf dem Landweg zu verlassen, sich verstecken zu müssen, abhängig von den Schleppern und ihren (vielleicht falschen) Informationen zu sein, fern von der Familie, in ständiger Angst vor der Polizei. Ohne ein Handy, das über das mobile Internet Kontakt zur Welt herstellen kann, wäre ein heutiger Flüchtling verloren. Faiz gibt in diesem Chat alles preis, seinen Mut, aber auch seine Enttäuschungen. Und auch seine Chatpartnerin Julia Tieke, die sich immer wieder bei ihm aus dem fernen Deutschland mit Hilfevorschlägen meldet, ist oft überfordert, aber sie gibt nicht auf. Ein seltenes Dokument über Menschenliebe, Hoffnung, Traurigkeit. Mit bewegenden Fotos: eine Hütte im mazedonischen Wald, ein Kleintransporter zum Gefängnis, eine Stromladestation in einem Dorf.
Interview mit Julia Tieke
„Ich hatte das Gefühl, das einzig konkrete, das ich für Faiz tun kann, ist, den Kontakt zu halten. Daher habe ich in dieser Zeit in meinem Handy die Benachrichtigungen für eingehende Nachrichten aktiviert, was ich sonst nie tue. In diesem Fall war es mir wichtig, ggfls. sofort reagieren zu können. Damit habe ich mich aber auch unter Stress gesetzt, denn ich habe mich beispielsweise in einem Theater-Foyer, im Supermarkt oder auf einer Party befunden, wenn gerade eine neue Nachricht aus den Wäldern Südosteuropas bei mir landete. Und da fühlt man sich hilflos. Die Asymmetrie unserer Lebensumstände war direkt, sozusagen symmetrisch, erlebbar, in der Gleichzeitigkeit des Chats, dem Live-Charakter der direkten digitalen Verbindung vom Lager im Wald in die Berliner Wohnung, vom Lastwagen eines Schleppers an den Bürotisch.“
Im Wald
3. Oktober 2014
Julia: Salam, Faiz. Wo bist du? Ich hab von Hozan gehört, dass du unterwegs bist.
4. Oktober 2014
Faiz: Ich bin in Mazedonien, im Dschungel. Vielleicht gehe ich zurück nach Griechenland.
Julia: Kann ich dich irgendwie unterstützen?
Faiz: Ich weiß nicht. Wir leben wie Affen, zwischen den Bäumen. Es ist unmöglich, nach Serbien zu gelangen. 14 Tage, inmitten von Bäumen.
Julia: Ich habe eine gute Freundin mit Freunden in Mazedonien. Ich ruf sie noch heute an. Wahrscheinlich leben die in Skopje.
Später am Tag
Julia: Es tut mir leid, dass du das alles durchmachen musst. Skopje ist etwa 140 km weit weg von dort, wo du jetzt laut Facebook bist.
Faiz: Mein Akku ist gleich leer. Vielleicht gehe ich zur Polizei. Um diese furchtbare Reise zu beenden und nach Athen zurückzugehen.
Julia: Oh. Sie würden dich einfach zurück nach Athen schicken?
Faiz: Ja. Nachdem sie uns geschlagen haben.
Julia: Kannst du dein Handy aufladen? Ich kann versuchen, über diese Freunde Geld zu schicken.
Faiz: Neiiiiin! Ich brauche kein Geld.
Julia: Ok. Faiz: Wir müssen Menschen bleiben. Nur das.
Julia: Ja.
Faiz: In dieser schrecklichen Welt.
Julia: Du bist ganz sicher ein Mensch!
Faiz: Ja.
Julia: Du wirst also nach heute erstmal nicht mehr schreiben können?
Faiz: Ich werde probieren, das Handy in irgendeinem Dorf aufzuladen.