Dinçer Güçyeter

Unser Deutschlandmärchen

Roman

Unser Deutschlandmärchen ist eine Familiengeschichte in vielen Stimmen. Frauen mehrerer Generationen und der in Almanya geborene Sohn erinnern sich in poetischen, oft mythischen, kräftigen Bildern und in Monologen, Dialogen, Träumen, Gebeten, Chören. Dinçer Güçyeter erzählt vom Schicksal türkischer Griechen, von archaischer Verwurzelung in anatolischem Leben und von der Herausforderung, als Gastarbeiterin und als deren Nachkomme in Deutschland ein neues Leben zu beginnen.

Mit vielen Fotografien aus dem Privatarchiv des Autors

13,99 25,00 

25,00  Hardcover

216 Seiten, Hardcover, 7. Auflage

ISBN 978-3-948631-16-1
13,99  E-Book
ISBN 978-3-948631-17-8
E-Book
Hardcover

216 Seiten, Hardcover, 7. Auflage

8. November 2022

Preis der Leipziger Buchmesse 2023

Traditionell wie innovativ queer erzählt, reißt einen diese Einwanderergeschichte mit ihrer Emotionalität und großen politischen Bedeutung von Anfang an mit. Der Roman blickt auf deutsche und europäische Verhältnisse, lässt die Worte zum Himmel fliegen, spart aber gleichzeitig die Demütigungen am Boden nicht aus. Dinçer Güçyeter fängt Geschichten mit einem Netz ein, das feiner gewebt ist als ein Schmetterlingskescher, kann schmerzliche Momente in komische verwandeln und hat uns mit „Unser Deutschlandmärchen“ einen mehrstimmigen Roman geschenkt, dessen poetischer Chor noch weiterklingen wird.

Begründung der Jury

English language and funding information plus reading sample at New Books in German

Downloads: Cover, Autorenporträt, Autorenporträt mit Mutter


„Eine Literatur der Klasse L. Dinçer Güçyeter, Gabelstaplerfahrer, Kind anatolischer Einwanderer, hat einen großartigen Roman über Herkunft und Familie geschrieben.“
Ronald Düker, Die Zeit

„Ich freue mich im Sommer auf Unser Deutschlandmärchen. Der Autor erzählt in seinem Romandebüt von seiner Kindheit und Jugend als Kind türkischer Einwanderer. Es geht um Heimatverlust, um Rassismus, um die Suche nach dem eigenen Platz in der deutschen Mehrheitsgesellschaft – also um Themen, die immer noch und immer wieder aktuell sind. Die Kritiker sind überschwänglich, auch der Bundespräsident hat in einer seiner Reden schon aus dem Buch zitiert, ich bin also sehr gespannt auf dieses Leseerlebnis von Dinçer Güçyeter.“
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Tagesspiegel 16. Juli

„Fabelhafter Roman.“
Paul Jandl, NZZ

„Nun ist es ihm gelungen, aus Fatmas Schweigen, das sie mit so vielen Frauen und Männern ihrer Generation teilt, großartige Literatur zu machen. Man muss dieses eigenwillige, raue Buch unbedingt lesen.“
Karen Krüger, Frankfurter Allgemeine Zeitung

„Vom Fremdsein und Ankommen in Almanya: Der aktuelle Träger des Preises der Leipziger Buchmesse erzählt die Einwanderungsgeschichte seiner Familie zwischen harter Arbeit, kleinem, großen Glück und Heimweh. Poetisch, sprachverliebt, wunderbar.“
Mitteldeutsche Zeitung

„Die Geschichte der Güçyeters steht exemplarisch für die so vieler Familien in Deutschland: Partiarchale Strukturen, die harte Realität des Gastarbeiterlebens, Rassismus. Deutlich wird auch, wie sehr die rechtsextremen Anschläge der 90er und später die NSU-Morde zu einem kollektiven Trauma geworden sind.“
ORF-Bestenliste Juni

„Das Buch gehört gewiss zu denen, die uns länger als nur eine Saison beschäftigen werden.“
Jörg Schieke, MDR Kultur

„Dieser Autor ist wie vom Himmel gefallen, eben dieser Roman auch.“
Hubert Winkels, 3sat/Kulturzeit

„Die überzeugende Kraft und Schönheit seiner dichterischen Arbeit ist dem Ethos der handwerklichen abgemessen: der Fertigkeit, ‚Rohmaterial mit dem richtigen Werkzeug zu bearbeiten und anzupassen‘. Auf der einen Seite das ästhetische Erlebnis der Übereinstimmung von Form und Inhalt, auf der anderen Seite der existenzielle Prozess, einer Lebensgeschichte die Würde und Bedeutung zu geben, die sie verdient. Mittendrin stehen der Dichter und seine Mutter.“
Stefan Kister, Stuttgarter Zeitung

„I was moved by Güçyeter’s book. I loved the rhythm and timbre of its language. It took me to places I had never visited. The book is part of a distinctly German universe I admire and cherish, a universe so much larger than the German nation.“
Klaus Neumann, Inside Story

„Die erste Generation von Menschen, die als sogenannte Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind, ist zuletzt verstärkt Thema der Gegenwartsliteratur gewesen. Doch stilistisch so facettenreich wie der 1979 in Nettetal geborene Schriftsteller und Verleger Dinçer Güçyeter sich der Geschichte seiner Eltern annimmt, dürfte man diesen Aspekt der bundesrepublikanischen Geschichte noch nicht zu lesen bekommen haben.“
SWR Bestenliste

„Ein Buch, das einen wie ein Blitzschlag trifft und einen mit einer anderen Sicht auf die Welt zurücklässt. Eine definitive Leseempfehlung.“
Denis Scheck, SWR Lesenswert

„Eine Poetik der Erfahrung. … Dieses außergewöhnliche Buch nimmt die Leserinnen im doppelten Sinne mit, denn noch nie ist man dem Innenleben türkischer Migrantinnen, die schon so lange mit und unter uns leben und für uns arbeiten, so nahegekommen wie in diesen Texten.“
Sabine Scholl, Der Standard

„Eine Wucht.“
Moni Hoffmann, Radio Dreyeckland

„Ein manchmal leises, sanftes, verletzliches Buch, oft aber ein ebenso wütendes, verletztes, aufbegehrendes Buch. Vor allem aber ist es ein virtuos komponiertes Sprachkunstwerk, dem man sich nicht entziehen kann.“
Gerrit Wustmann, Qantara

„Flirrender, eigenwilliger Debütroman.“
Insa Wilke, Süddeutsche Zeitung

„Die Träume, die Erwartungen, der eigene Weg: In Unser Deutschlandmärchen erzählt Dinçer Güçyeter vielstimmig aus dem Leben von ,Gastarbeitern‘.“
Fridtjof Küchemann und Maria Wiesner, FAZ Podcast

„Eine Familiengeschichte in ganz eigener Sprache und Form. Mich hat sie berührt.“
Miriam Zeh, books up!

„Mit seiner urwüchsig wuchernden archaischen Bildsprache ein überzeugendes Buch.
ekz Bibliotheksservice, Manfred Bosch

„Persönlich und immer wieder überraschend im Wechsel der Tonlagen.“
Buchreport Express

„Eine Geschichte vom Ankommen gegen alle Widerstände? Eine skeptische Bestandsaufnahme? Eine Liebeserklärung vielleicht, eine zornige Abrechnung oder eine sentimentale Familiengeschichte? Dinçer Güçyeter zieht allen Erwartungen den Teppich unter den Füßen weg und beschert einen in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Roman.“
Julia Schröder, Deutschlandfunk / Büchermarkt

„Abgesehen von seiner literarischen Qualität ist Unser Deutschlandmärchen auch eine Hommage an die vielen Menschen, die seit 1961 aus der Türkei nach Deutschland kamen, im Gepäck wenig mehr als die Hoffnung, genug Geld zu verdienen, um in ein paar Jahren als gemachte Leute in die Heimat zurückzukehren.“
Daniela Abels, Kölnische Rundschau

„Intensiv und berührend, schonungslos ehrlich und nuanciert erzählt.“
Paul Jennerjahn, Stadtrevue

„Jenseits des Begriffs ,Kulturen‘, dem Plural eines heiß umworbenen, strittigen und daher undefiniertem Singulars, den irgendwelche Dumpfbacken 1996 zum Anlass nahmen, von einem ,Kampf der Kulturen‘ (The Clash of Civilisations) zu faseln, um sich als hilfreiche ,Weltpolizei‘ aufspielen zu können, wird in dem Buch detailgetreu, in schonungsloser Ehrlichkeit mit viel Liebe die Wirklichkeit dreier Generationen geschildert, von der Großmutter über die Mutter bis zum Enkel, in einer Niederschrift über die ,freiwilligen Diener des Schicksals‘, denen ,die Kanne eine Erde schenkt, auf der sie sich ausbreiten können‘, voller Poesie und Einfühlsamkeit.“
Björn Eriksson, Philosophische Schnipsel

„Ein bewegender Roman.“
Martin Oehlen, Bücheratlas

„dinço weiß nicht, was ein essay ist (das weiß niemand), aber er versteht es, aus schwarz-weiß-fotos farbfilme zu machen. den peter-huchel-preis für den ghetto-prinzen hat er mit pommes gefeiert und am nächsten tag einfach weiter malocht. poesie ist arbeit. dinço ist poesie-arbeiter.“
lütfiye güzel

„Ich kenne und liebe Dinçers Lyrik. Dass er nun einen Roman geschrieben hat, ist eine sehr gute Nachricht.“
Saša Stanišić

Inhalt: Heimat und Familie

Dieser vielstimmige Debütroman erstreckt sich sich vom Anfang des letzten Jahrhunderts bis beinah in die Jetztzeit. Er lässt nichts aus, keine Vergewaltigung, kein Missverständnis, keinen Konflikt am Arbeitsplatz, ganz gleich ob in der Schuhfabrik, beim Bauern auf dem Feld oder in der eigenen Kneipe. Und dann ist da noch die Erwartung der Mutter an den heranwachsenden Sohn, der ihr als starker Mann zur Seite stehen soll, selbst jedoch eine gänzlich andere Vorstellung von einem erfüllten Leben hat …

Eine Geschichte vom Aufwachsen zwischen zwei unerreichbaren Heimaten, ein großes Zwiegespräch mit der Mutter, ein „Film, in dem du nicht mitspielen darfst“ – all dies ist der erste Roman des Lyrikers Dinçer Güçyeter. Zur Welt gekommen als Kind türkischer Eltern am Niederrhein, unweit der holländischen Grenze, schrieb Güçyeter sein erstes Gedicht mit acht Jahren, für den Lyrikband „Mein Prinz, ich bin das Ghetto“ erhielt er 2022 den Peter-Huchel-Preis. Er hat Theater gespielt, Stücke geschrieben und inszeniert, hat den Elif Verlag gegründet, der immer wieder mit Entdeckungen von sich reden macht. Das alles finanziert er, gelernter Werkzeugmechaniker, bis heute mit Gabelstaplerfahren. Auf das Land, in dem er 1979 geboren wurde, schaut Dinçer Güçyeter aus der Perspektive derjenigen, die in den Sechzigerjahren zum Arbeiten kamen und geblieben sind, wie Güçyeters Eltern, und aus der ihrer Kinder, der „zweiten Generation“. „Unser Deutschlandmärchen“ zieht allen Erwartungen den Teppich unter den Füßen weg, auch durch den Wechsel der Tonlagen und der literarischen Formen. Neben lyrischer, bildstarker Verdichtung steht die munter geschilderte Anekdote oder die dramatische Szene, neben klagend-melancholischer Litanei die entnervte Anklage, die sarkastische Zwischenbilanz, das poetische Manifest. Sehr persönlich erzählt dieser Roman vom Aufwachsen mit widersprüchlichen Regelsystemen, von der generationsübergreifenden Suche nach Heimat und vom Überschreiten der Grenzen von Herkunft, Klasse und Geschlechterrolle, von der Erinnerung selbst – und vom Finden der eigenen Sprache.  

Darmstädter Jury „Buch des Monats e.V.“, Julia Schröder

Lesungen

2022

  • 23. November: Köln, Literaturhaus, mit Ulrich Noller
  • 1. Dezember: Berlin, ocelot, mit Kaśka Bryla
  • 13. Dezember: Düsseldorf
  • 14. Dezember: Göttingen
  • 15. Dezember: Osnabrück

2023

  • 25. und 26. Februar: Mannheimer Literaturfestival, mit Insa Wilke
  • 27. Februar: Frankfurt, Hessisches Literaturforum, mit Beate Tröger
  • 4. März: Köln, Litcologne
  • 6. März: Krefeld, Fabrik Reeder, mit Emine Sevgi Özdamar
  • 9. März: Mönchengladbach, Stadtbibliothek
  • 14. März: Bonn, Buchhandlung Böttger
  • 21. März: Hamburg, Schweitzer Fachinformationen
  • 23. März: Heidelberg, Interkulturelles Zentrum
  • 24. März: Dresden, Leseclubfestival
  • 25. März: Neuss, Kikis Galerie
  • 30. März: Nettetal, Alte Kirche
  • 31. März: Bremen, Literaturhaus
  • 28. März: Hamburg, Literaturhaus, Vorstellung der Nominierten für den Leipziger Buchpreis 2023
  • 30. März: Nettetal, Alte Kirche
  • 31. März: Bremen, Literaturhaus
  • 3. April: Staufen
  • 4. April: Freiburg, Literaturhaus
  • 5. April: Stuttgart, Literaturhaus / Deutsch-Türkisches Forum
  • 13. April: Berlin, Literarisches Colloquium, Vorstellung der Nominierten für den Leipziger Buchpreis 2023
  • 19. April: Dortmund, Literaturhaus
  • 20. April: Hamburg, Buchhandlung Kortes
  • 21.-22. April: Göttingen, Literaturfestival Niedersachsen
  • 23. April: Lübeck, Buchmachermesse
  • 27. bis 30. April: Leipziger Buchmesse
  • 29. April: Leipzig, Gohliser Schlösschen
  • 29. April: Leipzig, Literaturforum der Unabhängigen, 22 Uhr, Moderation: Doris Akrap
  • 4. Mai: Leipzig, Rotorbooks
  • 8. Mai: Berlin, Landesvertretung Niedersachsen
  • 10. Mai: Frankfurt am Main, Literaturhaus, mit Marlen Hobrack und Nora Burgard-Arp
  • 11. Mai: Bad Ischl / Österreich, KURDIREKTION Verlagsbuchhandlung
  • 13. Mai: Feldkirch / Österreich, Theater am Saumarkt
  • 19. Mai: Reyjkavik / Island, Poetry Reading (15. bis 21. Mai: Island)
  • 24. Mai: Mönchengladbach
  • 26. Mai: Frankfurt, Lyriktage
  • 1. Juni: Düsseldorf, Heinrich-Heine-Institut
  • 6. Juni: Izmir, Türkei, Goethe-Institut
  • 7. Juni: Istanbul, Türkei, Goethe-Institut
  • 9. Juni: Ankara, Türkei, Goethe-Institut
  • 13. Juni: Nürnberg
  • 14. Juni: Frankfurt
  • 15. Juni: Altenberg, Literatur am Dom
  • 17. Juni: Recklinghausen, Stadtbibliothek
  • 19. Juni: Hagen
  • 10. August: Solingen
  • 18. bis 19. August: Nettetal, Festival Weltliteratur im Ghetto
  • 25. August: Nettetal, Atelier van Eyk
  • 26. / 27. August: Erlanger Poetenfest
  • 3. September: Stein am Rhein / Schweiz, Steiner Kulturhaus
  • 8.-10. September: Innsbruck, Sprachsalz 
  • 13. September: Marbach
  • 15. September: Berlin, internationales literaturfestival
  • 19. / 20. September: Prag, Goethe-Institut
  • 23. September: Kassel
  • 26. September: Michendorf-Wilhelmshorst, Peter-Huchel-Haus
  • 27. September: Berlin, Haus für Poesie (Abend für den ELIF-Verlag)
  • 28. September: Stadthagen, Alte Polizei
  • 29. September: Hannover, Schauspiel Hannover / UNIVERSEN
  • 1. Oktober: Gerolstein, Rathaus
  • 10. Oktober: Berlin, Deutsch-Israelische Literaturtage
  • 11. Oktober: Graz, Literaturhaus
  • 18. Oktober: Nettetal, Gesamtschule
  • 19. Oktober: Essen, lit.RUHR
  • 20. Oktober: Jena
  • 26. Oktober: Oberurseler Literaturtag
  • 27. Oktober: Münster, Stadtbücherei
  • 28. Oktober: Dortmund
  • 29. Oktober: Mannheim-Ludwigshafen
  • 31. Oktober: Heppenheim, Forum Kultur
  • 1. November: Bremen, globale
  • 2. November: Nettetal, mit Saša Stanišić
  • 8. November: Moers
  • 9. November: Marktoberdorf
  • 10. November: Staufen
  • 12. November: Hamburg, Thalia Theater
  • 15. November: Hameln, Denkfabrik
  • 16. November: Osnabrück
  • 17. November: Köln, King Georg
  • 18. November: Nettetal, Lesung Ragnar Helgi Ólafsson (Autor des ELIF Verlags)
  • 21. November: München, Literaturfest. Moderation: Lukas Bärfuss
  • 22. November: Würzburg
  • 23. November: Emmerich
  • 25. November: Burg Gladbach
  • 28. November: Mainz, Atrium Maximum (Alte Mense) der JGU
  • 4. Dezember: Kempen
  • 7. Dezember: Hückeswagen
  • 11. Dezember: Graz, Österreich

2024

  • 18. Januar: Köln, Stadtgarten
  • 19. Januar: Brüssel, Buchfink (BE)
  • 23. Januar: Lyrikkabinett, München
  • 25. bis 29. Januar: Basel (CH)
  • 31. Januar: Ludwigsburg
  • 2. Februar: Sierning, Österreich. Literaturschiff(AT)
  • 15. Februar: Berlin, Autorenbuchhandlung
  • 16. Februar: Chemnitz
  • 17. Februar: Düsseldorf, Galerie Kulturzimmer
  • 20. Februar: Viersen
  • 24. Februar: Arnum
  • 27. Februar: Aachen, Buchhandlung Schmetz am Dom / Katechetisches Institut
  • 1. März: Lollar
  • 6. März: Bielefeld, Stadtbibliothek, 20 Uhr
  • 7. März: Duisburg, Duisburger Akzente 2024
  • 9. März: Thun, Schweiz. Festival aprillen (CH)
  • 13. März: Karlsruhe, Stephanus Buchhandlung
  • 16. März: Rügen, Der Buchladen, Rügen-Gingst
  • 19. März: Aichach, Deutschherren-Gymnasium
  • 20. März: Gräfelfing
  • 21. März: Königswinter
  • 22. März: Oberhausen, Literaturhaus
  • 6. April: Berlin, Uraufführung, Maxim Gorki Theater, Regie: Hakan Savaş Mican
  • 11. April: Brühl, Max-Ernst-Gymnasium
  • 19. April: Wuppertal, Else-Lasker-Schüler-Preis, Festakt
  • 25. April: Lesung unterm Kirschbaum, Hamburg-Neugraben-Fischbek
  • 4. Mai: Stadthagen
  • 10. Mai: Ulm
  • 12. bis 13. Mai: Münster
  • 15. Mai: Paris, Maison Heinrich Heine (F)
  • 24. Mai: Cumberland Lodge, Windsor Great Park (GB)
  • 4. Juni: Innsbruck, Eröffnung Lyrikfestival Worte
  • 15. Juni: Gotha, Zepelin Stiftung Appelhagen
  • 26.-27. Juni: Heidelberg, feeLit
  • 21. November: Premiere Unser Deutschlandmärchen, Theater Münster. Regie: Ruth Mensah

2025

  • 17. Januar: Premiere Unser Deutschlandmärchen, Theater Aachen. Regie: Antigone Akün

Gespräch am Samstag mit Dinçer Güçyeter
Hier nachhören: WDR3, Cosmo

Das Lied der Nachtfalter / Hanife

Hanife ist mein Name. Ich bin die Tochter der Nomadin Ayşe und von Ömer Bey. Ömer Bey, der unter seinem Dach fünf Frauen für den Nachwuchs, für seinen Stamm sammelte. Ich werde euch kurz meine Geschichte erzählen, dann meine schwere Zunge meiner Tochter Fatma übergeben. Dinçer, mein Enkelsohn, er will es so. Ich war zunächst die Frau des Tabakschmugglers Osman. Seine Leiche wurde eines Morgens in den Hof getragen. Ich weiß nicht, warum er so plötzlich gestorben war. Manche sagten, sein Herz hätte aufgegeben, andere wiederum, man hätte ihn erschossen. Er war tot, und so war ich nicht mehr seine Frau, ich durfte seinen Körper nicht mehr anfassen, das wäre für mich als Witwe eine Sünde gewesen.

Hanife ist mein Name. Ich bin die Tochter der Nomadin Ayşe. Sie kam aus Griechenland, als viele Menschen auf einmal das Land verlassen sollten. Zusammen mit vielen anderen Frauen wurde sie auf einem Pferdekarren auf den Marktplatz des Dorfes gefahren. Es gibt in unserem Glauben eine Regel, die den Männerschwänzen dient: Ein obdachloses Weib zu behüten, ist die Pflicht eines jeden Mannes. Die ersten Männer dieser Frauen waren im Krieg gefallen. Jetzt warteten hier die nächsten auf sie, mit ihren steifen Werkzeugen. Bekamen die Möglichkeit, das Gewissen ihrer Schwänze zu beruhigen. Ömer Bey nahm meine Mutter auf. In der ersten Nacht bespritzte er sie mit seinem Samen. Ich wurde in ihrer Gebärmutter zu Hanife.

Ich war noch ein kleines Mädchen, da brachte Ömer Bey drei weitere Frauen in die Hütte. Meine Mutter hatte keinen Namen, sie war die Nomadin. Nomadin, koche die Wäsche … Nomadin, trage das Heu in den Stall … Nomadin, rupfe das Huhn … Nomadin, zieh die Hose runter … Meine hilflose Mutter lief von morgens bis abends die Treppen im riesigen Haus rauf und runter. Ihr weißes Kopftuch rutschte immer vom Kopf auf die Schulter. Sie war eine Fremde unter allen, sie war die morsche Stufe der steilen Treppe.

Bald war ich selber reif, um das Schicksal meiner Mutter zu teilen. Osman Bey kam und nahm mich mit. Ich wurde sein Weib, sein Spucknapf, einfach so … An einem kalten Morgen war ich auf dem Weg zum Dreschplatz. Die Nachbarin rief mir hinterher Hanifeeeeeeeee, deine Mutter soll schwer krank sein, sie soll nur noch liegen. Ich ließ alles fallen und rannte zum Elternhaus. Die zweite Frau des Hauses empfing mich am Tor, das zum Hof führt. Schön, dass du da bist, jetzt kannst du ihr bitte sehr den Hintern abputzen murmelte sie abwertend und spuckte mir vor die Füße. Ich habe das überhört, ich wollte nur meine Mutter sehen. Sie lag in ihrem Bett, die Frau, die mit ihrer großen Statur Berge versetzen konnte, lag wie ein abgestochenes Kalb auf dem Boden. Eilig kochte ich eine warme Suppe für sie. Sie konnte nur noch Tropfen schlucken, die Suppe rann von ihrem wunden Mund hinunter auf den Hals. Gegen Abend ging ich nach Hause, meine Tränen überfluteten den staubigen Weg. Im Treppenhaus wartete der Schwiegervater. Wo warst du den ganzen Tag, wer soll die ganze Arbeit am Dreschplatz erledigen, wenn nicht du! raunzte er mich an und schlug den Lehmkrug auf meinen Kopf. Das war sehr großzügig von ihm, die Tritte danach spürte ich nicht mehr. Mein Mann, Osman Bey, schlachtete das Schaf im Stall und wickelte mich in sein Fell. Ich war mit dem ersten Kind schwanger, das wussten alle. Gott ist groß, ihm ist nichts passiert, das war mein einziger Trost. Nach drei Tagen musste ich wieder mit aufs Feld, das Heu musste auf den Anhänger geladen werden. Ich hörte aus der Ferne wieder die Stimme der Nachbarin Hanifeeeeee, deine Mutter wurde in die Stadt zu einem Gesundheitszentrum gebracht, ihr soll es elend gehen. Ich lief zur Stadt, zu Fuß, drei Stunden. Ich ging die Treppen des Gesundheitszentrums hoch und fragte jeden nach ihr, der mir begegnete. Der Oberarzt sagte mit seinem arroganten Blick, dass meine Mutter sofort nach der Einweisung gestorben sei. Wo ist sie fragte ich mit zitternder Stimme. Sie hatte keine Geburtsurkunde, deshalb hat man sie auf einem der Friedhöfe begraben, auf welchem, das kann ich Ihnen aber jetzt nicht genau sagen. Meine Tränen überfluteten den eisigen Boden. Wenn man mir nur gesagt hätte, wo sie liegt. An ihrem Grab ein paar Suren aus dem Koran lesen, für sie beten, um Erlösung bitten, selbst diesen letzten Dienst hat man mir verweigert. Meine Mutter kam aus der Fremde. Wenn deine Wurzeln nicht der gleichen Erde angehören, bist du verdammt. Den Strick nimmt dir keiner mehr vom Hals, du musst ihn bis zu deinem Ende tragen. Du hast nicht einmal das Recht, am Grab deiner Mutter die Suren zu lesen. Die Suren, die ihren Geist erlösen sollen. Nicht einmal das darfst du.

Auszug lesen

Der Autor

Dinçer Güçyeter, geboren 1979 in Nettetal ist ein deutscher Theatermacher, Lyriker, Herausgeber und Verleger. Güçyeter wuchs als Sohn eines Kneipiers und einer Angestellten auf. Er machte einen Realschulabschluss an einer Abendschule. Von 1996 bis 2000 absolvierte er eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker. Zwischenzeitlich war er als Gastronom tätig. Im Jahr 2012 gründete Güçyeter den ELIF Verlag mit dem Programmschwerpunkt Lyrik. Seinen Verlag finanziert Güçyeter bis heute als Gabelstaplerfahrer in Teilzeit. 2017 erschien Aus Glut geschnitzt, und 2021 Mein Prinz, ich bin das Ghetto. 2022 wurde Güçyeter mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet. Sein Roman Unser Deutschlandmärchen wurde 2023 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. 2024 erhält er den Else-Lasker-Schüler-Preis. Er ist Vater von zwei Kindern und lebt in Nettetal.

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